Pharao Echnaton und die Religion des Lichts
Pharao Amenhotep IV., der spätere Echnaton war der jüngere Sohn Amenhoteps
III. und seiner Großen Königlichen Gemahlin Teje. Mit seiner Religionsstiftung,
dem Bau seiner neuen Hauptstadt Achet-Aton und nicht zuletzt auch durch seine
schöne Gemahlin Nofretete wurde Amenhotep IV./Echnaton zu einer der faszinierendsten
Persönlichkeiten in der ägyptischen Königsgeschichte.
Mit seinem Namen verbindet sich der erste monotheistische Aufbruch in der Religionsgeschichte
der Menschheit. Diese "kulturrevolutionäre" Tat bedeutete für die
meisten Zeitgenossen eine schwer erträgliche Erfahrung. Das "Trauma von
Amarna" hat der Ägyptologe Jan Assmann diesen Vorgang genannt, ein Trauma,
das Verdrängung, verformte Erinnerungen und alle Formen kulturellen Abscheus
zur Folge hatte. Tatsächlich ist Pharao Echnaton bis weit ins 19. Jahrhundert
hinein vergessen geblieben.
Für diesen Text wurde insbesondere Jan Assmanns "Ägypten
- eine Sinngeschichte" und Erik Hornungs "Die Religion des Lichts"
verwendet.
Der König
"Schön erscheinst du im Horizont des Himmels, du lebendige Sonne, die das
Leben bestimmt! Du bist aufgegangen im Osthorizont und hast jedes Land mit deiner
Schönheit erfüllt. Schön bist du, groß und strahlend, hoch über allem Land.
..."
Mit diesen Worten beginnt der Große Sonnenhymnus des ägyptischen Pharao Echnaton
. Um 1350 vor Chr. proklamierte dieser König den Sonnengott in seiner sichtbaren
Gestalt als Sonnenscheibe, genannt Aton, zum alleinigen Gott. Ein beispielloser
Vorgang! Er erklärte die vielfältige ägyptische Götterwelt kurzerhand für nicht-existent
und ordnete einen neuen Glauben, eine neue Theologie an. Pharao Echnatons religöser
Umsturz ist die erste Religionsstiftung in der Geschichte, und wie alle Religionsstiftungen
ist sie monotheistisch. Dieser früheste Eingottglauben, der noch vor dem Alten
Testament entstand, wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt.
Die
Ägypter selbst hatten dafür gesorgt, daß man Echnaton vollständig vergaß. Bereits
zwei Generationen nach seiner Zeit wußte in Ägypten niemand mehr etwas von ihm.
Kurz nach seinem Tod wurde sein Name aus den Königslisten gelöscht, seine Bauten
und Inschriften vernichtet. Ganz offensichtlich wollte man jede Erinnerung an
ihn vermeiden, ja man wollte so tun, als habe es diesen Pharao überhaupt nicht
gegeben.
Wie konnte das geschehen? Was veranlaßte die Ägypter dazu, die Geschichte Echnatons
und seines religiösen Aufbruchs so vollständig aus dem Gedächtnis zu löschen,
daß man sie erst nach Tausenden von Jahren wieder zur Kenntnis nahm? Wer war
dieser Pharao und warum wurde sein Glaube an einen einzigen Gott, ein einziges
religiöses Prinzip, in Ägypten verfemt?
Ägypten erlebte im sogenannten Neuen Reich während der 18. Herrscherdynastie
eine der großen Blütezeiten seiner Geschichte. Der Staat am Nil war Weltmacht
geworden. Mächtige Herrscher mit Namen Thutmosis und Amenhotep hatten ein Großreich
geschaffen und gesichert. Als Amenhotep III., der Vater Echnatons, über Ägypten
herrschte, war das Land die bedeutendste Macht der Welt. Unter ihm entfaltete
der königliche Hof in der Hauptstadt Theben unermeßliche Pracht. Der alte Pharao
starb 1350 v. Chr. Sein Sohn bestieg als Amenhotep IV. den Thron. Noch ahnte
niemand etwas von dem religiösen Sturm, den der neue König entfachen sollte.
Die Götter Ägyptens
Unzählige Göttinnen und Götter umgaben die Menschen Ägyptens. Jede Stadt besaß ihren Stadtgott, einzelne Götter waren zu landesweiter Bedeutung emporgestiegen. So herrschte der Gott Amun von Theben über ganz Ägypten. Er wurde meist in enger Verbindung mit dem mächtigen Sonnengott Re gesehen und galt als Amun-Re als größter der Götter. Den Handwerker- und Schöpfergott Ptah von Memphis verehrte man vielerorts, und der falkenköpfige Gott Horus wurde seit jeher durch den jeweils regierenden Pharao verkörpert. Ein kriegführender General verrichtete die Arbeit des Kriegsgottes Month. Den Intellektuellen, der des Lesens und Schreibens mächtig war, beschützte der Schreibergott Thoth . Für jeden Lebensbereich gab es Gottheiten, und jede war einzig in seiner Art. Vor jeder versicherte der Priester:
"Ich habe dein Wesen nicht dem eines anderen Gottes gleichgemacht."
In
den Tempeln waren die Götter gegenwärtig. Der Tempel selbst symbolisierte den
Kosmos. Hier verrichteten die Priester Rituale, die dazu dienten, die Schöpfung
aufrecht zu erhalten.
Auch den einfachen Bewohnern Ägyptens war klar, wie wichtig diese Rituale waren. Er mußte sich auf sie verlassen, das Leben jedes Menschen hing davon ab. Es spielte keine Rolle, daß nur Priester Zutritt zu den Tempeln hatten. Der gewöhnliche Sterbliche war den Göttern bei den großen Festen nahe. Dann nämlich, wenn die Statue des Gottes unter dem Jubel der Menschen durch die Straßen getragen wurde. Neben den großen gab es volkstümliche Gottheiten, die Orakelfragen beantworteten und Opfergaben annahmen.
Mögen den Ägyptern ihre Götter in noch so vielen Erscheinungsformen begegnet seien, auffallend ist es, daß in ihren Weisheitslehren so oft nur von Gott in der Einzahl die Rede ist.
"Übe keine Gewalttätigkeit unter den Menschen, denn Gott straft mit Gleichem ... Nie ist menschliche Gewalttätigkeit verwirklicht worden, sondern das, was Gott angeordnet hat, geschieht."
So schrieb ein Gelehrter um 2350 v. Chr. und 2000 Jahre später heißt es:
"Der Mensch ist Lehm und Stroh, Gott ist sein Baumeister."
Für unsere Ohren klingen diese Worte nach einem einzigen Gott, die Ägypter haben aber damit vermutlich jeden Gott gemeint, der im konkreten Zusammenhang angesprochen werden sollte. Von der jeweils "zuständigen" Gottheit beschützt zu sein, bedeutete für die Menschen Trost und Sicherheit. Alltägliche Briefe wurden gern mit der Formel eingeleitet:
"Heute geht es mir gut, das Morgen liegt in Gottes Hand."
Die neue Sonnentheologie
Amenhotep IV. wandte sich vom Glauben an viele Götter ab. Schon zur Zeit seines
Vaters war der Sonnengott immer stärker in den Mittelpunkt des Universums gerückt.
Der tägliche Lauf der Sonne garantierte den Fortbestand der Welt und des Kosmos.
Jeden Tag erneuerte so der Sonnengott sein Schöpfungswerk. Mehr noch: da er
Nacht für Nacht in die Unterwelt hinabstieg, erweckte er auch die Toten wieder
zum Leben. Dort, in der Unterwelt, regenerierte er und überwand die Gefahren
von Finsternis und Chaos, die durch ein riesiges Schlangenungeheuer, den Apophis,
symbolisiert wurden. Bei dieser wichtigen Aufgabe standen ihm alle anderen Götter
zur Seite. Es wurde während der 18. Dynastie sogar üblich, auch den Totengott
Osiris als eine Form des Sonnengottes zu sehen Der Sonnenlauf kann als Heilsgeschehen
interpretiert werden, stellt der Ägyptologe Jan Assmann fest.
"Hier hat der Begriff des Heils nicht den Sinn von Erlösung, sondern der
Erneuerung und Inganghaltung. ... Im Zenrum steht der Gedanke einer doppelten
Überwindung: der Überwindung des Bösen, das in Gestalt des Wasserdrachens Apophis
die Sonnenbarke mit Stillstand bedroht, und der Überwindung des Todes."
Die Vorstellung vom Sonnenlauf hatte sich im Lauf der Zeit verändert. Waren
bisher alle Götter in das Heilgeschehen miteingebunden, so ist der Sonnengott
nach neuem Verständnis allein.
"Du hast dich am Himmel gezeigt, indem du allein bist."
... heißt es in einem Gesang. Das bedeutete einen radikalen Wandel. Bisher hatte
sich die Wirklichkeit aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Götter geformt.
Jetzt aber wurde das Leben mehr und mehr auf das Wirken eines Gottes zurückgeführt.
Für Amenhotep IV. war dies Aton, die Sonnenscheibe am Himmel.
Anfangs durften auch die alten Götter noch neben Aton existieren. Der neue Gott
war einzigartig, aber noch nicht einzig. Aber er war wichtiger als alle anderen.
In einer Grabinschrift heißt es:
"Man mißt die Leistungen für jeden anderen Gott mit gestrichenem Maß, doch
für den Aton mißt man so, daß es überquillt."
Die Menschen erkannten die neuen Verhältnisse bald. Die sie umgebende Bilderwelt
veränderte sich drastisch. Zuerst verschwanden die Mischgestalten aus menschlichen
Körpern und Tierköpfen. Dann wurden andere Gottheiten überhaupt nicht mehr abgebildet.
Nur noch die Sonnenscheibe gab es, deren Strahlen in Hände mündeten.
Der neue Stil
Sonderbar, vielleicht sogar furchterregend mußte den Zeitgenossen die Veränderung
bei der Abbildung des Königs vorgekommen sein. Die bis dahin geltenden Regeln
wurden nicht mehr beachtet. Die Kolossalstatuen Amenhotep IV. schockieren mit
dünnem Hals, überlangen Armen und Unterschenkeln, mit Brustansätzen, breiten
Hüften und fetten Oberschenkeln. Die Geschlechtsorgane fehlen.
Und doch sind diese Statuen weder Karikaturen noch gar naturgetreue Abbilder
des Pharao. Der König wurde vielmehr dargestellt als Zwitterwesen zwischen Mann
und Frau, was seine Natur als Allschöpfer, als "Mutter und Vater" seines Volkes,
symbolisieren sollte.
Wie sah der König wirklich aus? Vielleicht kann uns am ehesten die Intuition
des Dichters eine Vorstellung davon geben.
Thomas Mann beschrieb den vierten Amenhotep so:
"Bei der Beschreibung seines Gesichts unter der runden blauen Perücke
mit Königsschlange, die er heute über der Leinenkappe trug, dürfen die
Jahrtausende uns nicht von dem zutreffenden Gleichnis abschrecken, daß
es aussah wie das eines jungen, vornehmen Engländers von etwas ausgeblühten
Geschlecht: langgezogen, hochmütig und müde, mit nach unten ausgebildetem,
also keineswegs mangelndem und dennoch schwachen Kinn, einer Nase, deren
schmaler, etwas eingedrückter Sattel die breiten, witterden Nüstern desto
auffallender machte, und tief träumerisch verhängten Augen, von denen
er die Lider nie ganz aufzuheben vermochte. ...
Hübsch und schön war das Gesicht mitnichten, aber von beunruhigender Anziehungskraft.
... Eher seltsam und aus der Form gegangen war auch Pharaos die Mittelgröße
kaum erreichende Körpergestalt. ... Dazu waren die Beine nicht nur zu
kurz, sondern auch sonst ohne Verhältnis, da die Oberschenkel entschieden
zu voll, die unteren aber fast hühnerartig mager erschienen. ... Sehr
schön und nobel gebildet dagegen waren Hände und Füße, besonders die langfingrigen
und elegant-empfindsamen Hände mit Resten von Salböl in den Nagelbetten."
aus: Thomas Mann: Joseph und seine Brüder,
T.4, Joseph der Ernährer
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Mit einem neuen Stil wurde der bewußte Gegensatz zur Kunst früherer Zeiten gesucht.
Das Leben selber wollte man abbilden, so wie es durch den Aton erzeugt wird.
Da gab es keine idealisierten Gesichter mehr, keine in strenge Regeln gepreßte
Bildkompositionen. Stattdessen betonte man die Realität, schwungvoll, ohne Tabus,
bis hin zur Übertreibung.
Mit dieser Auffassung von Wirklichkeit hat sich Amenhotep IV. weit vom traditionellen
Verständnis entfernt. Bisher war es nicht Aufgabe der Kunst gewesen, die tatsächlich
vorhandene Realität abzubilden. Dargestellt werden sollte das Eigentliche in
den Dingen, die allem innewohnende Wahrheit. Ma'at nannten die Ägypter diesen
Aspekt des Seins, das Leben, wie es eigentlich gemeint war. Ein idealisiertes
Bild, das mehr der Ewigkeit angehörte als dem Diesseits. Die Wirklichkeit war
vergänglich, ihre Unvollkommenheiten wollte man nicht ver-ewigen.
Die religiöse Revolution
Zwischen dem dritten und fünften Regierungsjahr vollzog sich die große Revolution
des Königs. Amenhotep IV. brach endgültig mit der religiösen Vergangenheit. Er
proklamierte den Aton zum alleinigen Gott.
Symbolisches Zeichen für die neue Zeit war die Namensänderung des Königs. Er nannte
sich von nun an Ach-en-Aton, Echnaton. Das bedeutet: "Nützlich für den Aton".
Ein ungeheurer religiöser Konflikt war die Folge, der auch eine politisch-wirtschaftliche
Komponente aufwies. Die großen Göttertempel in Ägypten, allen voran der Amun-Tempel
von Karnak, waren mächtige Wirtschaftszentren. Der Pharao beraubte sie nun ihres
Einflusses. Das kam einer Entmachtung der führenden Bevölkerungsschicht gleich,
die bisher alle hohen Priesterstellen besetzt hatte.
Politik und Religion waren im alten Ägypten keine getrennten Phänomene. Demzufolge
mußten politische oder wirtschaftliche Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der
Religion ausgetragen werden. Es gab nicht einmal politische Begriffe, eine ideologisch-weltliche
Terminologie fehlt zu dieser Zeit noch ganz.
Die politischen Folgen
Der König entließ sämtliche hohen Beamten, die noch seit der Zeit seines
Vaters im Amt waren. In ihre Stellen setzte er ihm und seinem Gott treu ergebene
Männer ein. Sie stammten größtenteils aus einfacheren Familien und hatten ihr
Schicksal auf Gedeih und Verderb mit dem König und seinem Gott verbunden. Voll
Stolz hat der neubestallte Hohepriester des Aton, Meri-Re, in seinem Grab die
Worte verewigt, mit denen der Pharao ihn eingesetzt hatte:
"Siehe, ich setze dich für mich als "Größten der Schauenden" ein. Ich tue es
aus Liebe zu dir mit folgenden Worten: Mein angesehener Diener, welcher die Lehre
wahrhaftig hört! Mit jedem Auftrag, den du ausführst, ist mein Herz zufrieden.
Ich gebe dir das Amt und sage: du sollst die Nahrung des Pharao, deines Herrn,
im Tempel des Aton essen."
Der "Wedelträger zur Rechten Pharaos", General Maja , erklärte, warum ihn der
König so förderte:
"Ich bin ein Diener dessen, der ihn entstehen ließ, rechtschaffen für den Herrn
der Beiden Länder, nützlich für seinen Herrn, der die Wahrheit in meinen Leib
gesetzt hat und der eine Abscheu vor der Lüge hat."
Neben seiner Integrität sei es vor allem der Gehorsam, stellte Maja fest, der
ihn in den Augen des Königs würdig erscheinen ließ.
"Mein Herr hat mich nach vorn gestellt, denn ich tat nach seinen Weisungen
und ich hörte seine Worte ohne Unterlaß."
Achet-Aton
Im 5. Jahr seiner Regierung gab Echnaton die alte Hauptstadt Theben auf und
gründete eine neue Residenz in Mittelägypten, etwa auf halbem Weg zwischen den
alten Hauptstädten Memphis und Theben. Er nannte sie Achet-Aton, Horizont des
Aton. Der heutige Name dieses Gebiets, el-Amarna, hat der ganzen Epoche den Namen
gegeben. Der Begriff "Amarnazeit" bezeichnet die Regierung des Pharao Echnaton
und seiner unmittelbaren Nachfolger.
Vierzehn Gründungsstelen umgrenzten die Stadt des Aton, die im Verlauf weniger
Jahre aus dem Boden gestampft wurde. Hier entstand das heilige Zentrum der Aton-Religion.
Hier soll die reine Lehre ausgestaltet werden. Im Rahmen einer prunkvollen Zeremonie
wurde die Stadt gegründet.
"Jahr 6, 13. Tag der Winterzeit An diesem Tage war der König in der Stadt des
Lichtortes des Aton. Seine Majestät bestieg einen großen Wagen aus Silbergold,
erscheinend wie der Aton... Er veranstaltet ein großes Opfer für den Gott von
Brot, Bier, Rindern, Vögeln, Wein und Weihrauch. Danach kehrte er zurück und ließ
sich auf seinem Thron nieder. Nun sagte er: ‚Bringt meine Gefolgsleute herbei,
die Großen und die Mächtigen, die Anführer der Soldaten und die Vornehmen des
ganzen Landes'. Sie wurden vor ihn geführt, lagen auf ihren Bäuchen vor Seiner
Majestät und küßten die Erde wegen seines mächtigen Willens. Da sprach Seine Majestät
zu ihnen: Schaut Achet-Aton, von dem Aton wollte daß es ihm geschaffen werde als
Denkmal für seinen Namen für alle Zeit! Aton aber, mein Vater, war es, der auf
Achet-Aton wies..."
Paläste wollte Echnaton erbauen lassen und natürlich auch dereinst dort begraben
sein.
"Und ich werde an dieser Stelle einen Aton-Tempel für Aton, meinen Vater schaffen.
Ich errichte mir einen Palast und einen für die Königliche Gemahlin in Achet-Aton
an dieser Stelle! Man baue mir ein Grab in dem Berg von Achet-Aton, wo die Sonne
aufgeht, in welchem meine Bestattung erfolgen soll, nach Millionen von Regierungsjubiläen,
die Aton, mein Vater mir zugewiesen hat. Man bestatte darin auch nach Millionen
von Jahren die Große Königliche Gemahlin Nofretete ..."
Nofretete
Neu und ungewöhnlich ist die herausragende Stellung, die der neue Pharao
seiner Hauptfrau, der Großen Königlichen Gemahlin Nofretete, verliehen hatte.
Sechs Töchter hatte ihm diese anmutige Frau geboren, deren weltberühmte
Büste dreitausend Jahre später zum Inbegriff von zeitloser Schönheit geworden
ist.
Schon im Aton-Tempel von Karnak war die Königin mehrfach abgebildet worden,
wie sie allein oder mit ihren Töchtern die religösen Handlungen vollzog,
die bislang dem König allein vorbehalten waren. Sogar bei der symbolhaften
Chaosabwehr, dem "Erschlagen der Feinde", konnten sie die Zeitgenossen bestaunen.
Ihr Gemahl hatte ihr einen programmatischen Namen verliehen.
"Nefer-neferu-Aton , das heißt: ‚Der Vollkommenste ist Aton'"
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Die Intoleranz des Aton-Glaubens
Für die Bevölkerung Ägyptens kamen diese Maßnahmen einer Katastrophe gleich.
Die Gesellschaft zerfiel in Anhänger und Gegner des Aton-Glaubens. Es hat heftige
Opposition gegen diese von oben verordnete Religion gegeben, angeführt verständlicherweise
durch die Priester des Amun. Hinter ihnen versammelten sich die Entmachteten und
ganz allgemein die Traditionalisten im Lande. Es kam zu schweren Unruhen, denn
tolerant war die neue Religion nicht.
Mochte der König noch so liebevoll dem Wesen seines Gottes nachforschen, die alten
Götter, den alten Glauben, duldete er bald nicht mehr. Echnaton hat zum allerersten
Mal in der Religionsgeschichte die Unterscheidung zwischen "richtig" und "falsch"
eingeführt. In dieser Hinsicht steht er am Anfang aller monotheistischen Religionen,
die sämtlich für sich in Anpruch nehmen, im Besitz der alleinigen Wahrheit zu
sein. Damit verbunden ist immer Ausgrenzung und oft Verfolgung. So auch jetzt:
als erstes wollte man die Götter selbst vernichten. Am stärksten davon betroffen
war der Reichsgott Amun. Sein Name wurde in ganz Ägypten an den Tempelwänden und
in Reliefs ausgemeißelt, man entfernte ihn aus den Briefen des Staatsarchivs.
Gelegentlich ließ Echnaton sogar seinen Geburtnamen Amenhotep auf Denkmälern verstümmeln.
Mit Vorliebe vernichtete man die tiergestaltigen Symbole der Gottheiten. Es kam
zu einem regelrechten Bildersturm. Sogar der Plural des Wortes Gott wurde zur
Nicht-Existenz verdammt.
Die Anhänger der alten Götter traf der Bannstrahl des Königs: auf den Reliefs
in den Gräbern von Achet-Aton fällt eine starke militärische Präsenz auf.
Der Ägyptologe Erik Hornung schreibt:
"Echnaton ist ja der einzige Religionsstifter, dem alle staatlichen Machtmittel
zu Gebote standen, und man darf davon ausgehen, daß er sie rücksichtslos zur Verwirklichung
seiner Ideen eingesetzt hat. Nur im Untergrund war weiterhin Opposition möglich,
"Klagepsalmen" gaben einer verbreiteten negativen Stimmung im Volk und in der
einstigen Oberschicht Ausdruck."
Wer konnte, floh ins Ausland. Wer bleiben mußte, sah sich vielfach dem Terror
von Echnatons Polizeitruppen ausgesetzt. Wer dem König aber folgte, dem boten
sich ungeahnte Möglichkeiten. Durch die Schließung der alten Tempel, durch Enteignungen
großen Stils wurden Vermögen frei, die entweder den Aton-Tempeln zugeschlagen
oder aber Anhängern der neuen Lehre zugewiesen wurden. Viele haben sich so am
Unglück anderer bereichert.
Die bittersten Auswirkungen zeitigte der aufgezwungene Glaube für die einfachen
Menschen. Mit dem Verbot der alten Religion wurde ihnen buchstäblich der Boden
unter den Füßen weggezogen. Karg und trostlos mußte den Ägyptern der neue Glaube
erschienen sein. Jan Assmann schreibt:
"Was an die Stelle einer ungeheuren Fülle traditioneller Tempel und Kulte,
Riten und Feste, Mythen, Hymnen, Bilder gesetzt wird, sind eine Handvoll Hymnen,
die die neue Lehre entfalten, ein puritanischer Kult ohne Magie und Symbolik und
eine massive Präsenz der königlichen Familie."
Die Tempel der alten Götter wurden geschlossen und die Feste eingestellt. Gerade
aber die Götterfeste ...
"... begründeten die soziale Identität eines Ägypters. Er fühlte sich in erster
Linie einer Stadt und ihrem Stadtgott zugehörig, und diese fundamentale Zugehörigkeitsstruktur
fand ihren Ausdruck in den großen Prozessionsfesten der Stadt."
Indem er die Götterfeste abschaffte, trennte Echnaton die Menschen von den Grundlagen
ihres Lebens. Dies umso mehr, als der zentrale Aspekt der ägyptischen Religion
im Aton-Glauben praktisch fehlt.
Der Aton und das Jenseits
Nichts war für den ägyptischen Menschen wichtiger als der feste Glaube an ein
Weiterleben im gesegneten Land des Westen, im Jenseits. Immerhin war man das
ganze Leben damit beschäftigt, für die Zeit nach dem Tode vorzusorgen. Wer immer
es sich leisten konnte, baute ein Grab, eine Wohnung für die Ewigkeit, und stattete
sie so schön wie möglich aus. Selbst die Ärmsten strebten nach Mumifizierung
ihrer Körper und sei sie auch noch so einfach.
Mit dem Jenseits hatte der Aton-Glaube größte Schwierigkeiten.
Verschwunden war die Vorstellung von der Nachtfahrt der Sonne, die Dunkelheit
wurde nicht mehr als Ort der Regeneration begriffen. Wo Aton nicht war, dort
war das Nichts, dort war endgültiger Tod. In der Welt des Aton gab es keine
Gefilde des Westens, kein Totenreich mehr. Schließlich ist der Westen das Gebiet,
wo die Sonne untergeht. In Echnatons Glauben gab es keine Auferweckung der Toten
in der Unterwelt. Neues Leben entstand am Morgen, im Osten, wenn der Aton aufgeht
und zwar für Lebende und Tote gleichermaßen.
"Das Jenseits wurde diesseitig" hat Erik Hornung formuliert.
Sinnlos wurden die Totenbücher, die Wegweiser durch das Jenseits. Aufgehört
hatte die Versorgung und damit der Kontakt zu den teuren Verstorbenen durch
Opfergaben und Kult. Wo früher Sicherheit und Vertrauen waren, gab es nun das,
was die Ägypter "Hinausgeworfensein" nannten, den Verlust von Geborgenheit.
Im neuen Glauben existierte der Verstorbene nur noch als Ba-Seele irgendwo,
irgendwie im Diesseits. Diese Vorstellung war abstrakt und damit auch bedeutend
weniger beruhigend. Der Tote pflegte sich in Bezug auf Aton im Grunde nicht
anders zu verhalten als der Lebende. Das bezeugt eine Inschrift im Grab des
Kammerherrn Tutu:
"Du stehst morgens auf in deinem Grab, um den Aton zu schauen, wenn er aufgeht.
Du reinigst dich und legst ein Gewand an, wie du es getan hast, als du auf Erden
warst ... Du erhebst dich und vergißt die Mattigkeit."
Der einzige Bezug zu Aton führte über den König. Da nunmehr weder Totenreich
noch Totengericht existierte, bestand auch keine Hoffnung mehr auf jenseitige
Gerechtigkeit. Ausschließlich die Gunst des Königs konnte den Menschen retten
und begründete ein Fortleben nach dem Tod.
Der Gott offenbarte sich ohnehin nur dem Pharao allein. Zu seinem Wesir Ramose
sprach Echnaton:
"Die Worte des Re sind vor dir... Mein ehrwürdiger Vater Aton hat mich ihr
Wesen gelehrt und sie mir enthüllt... Sie sind meinem Herzen bekannt und meinem
Gesicht offenbar. Ich verstand..."
Ramose antwortete:
"Du bist der Einzige des Aton, der im Besitze seiner Vorschriften ist! Du
hast die Berge geleitet, Furcht vor dir ist inmitten ihrer geheimen Kammern
wie in den Herzen des Volkes, und die Berge lauschen auf dich, wie das Volk
lauscht."
Mythen und Geschichten enthielt Echnatons Glauben nicht. An ihre Stelle war
die Familie des Königs getreten, die verherrlicht und in vielen privaten Details
dargestellt wurde. In keinem Haus von Achet-Aton fehlte die Stele mit der "Heiligen
Familie", die an die Stelle der alten Götterbilder getreten war.
Echnaton, Nofretete und drei ihrer Töchter
Die
Familienszenen des Königs zeigen ihn oft, wie er seine Frau und seine Töchter
küßt und streichelt. Das ist eine sexuelle Symbolik, die ebenfalls auf den Aton
hinweist. Dieser Gott gibt Fruchtbarkeit und Leben. Nicht umsonst laufen in
allen Abbildungen die Sonnenstrahlen in Hände aus, die das Henkelkreuz tragen.
Diese Hieroglyphe, das Anch, bedeutet Leben.
Der Sonnengesang
Eines aber ist der Aton seinen Anhängern schuldig geblieben: eine Verkündigung,
irgendein Wort. Der Gott blieb stumm und auch sein Vermittler Echnaton hat kein
Heiliges Buch, keine Heilige Schrift hinterlassen. Der zentrale Text der Amarna-Religion
ist ein Gebet, der Große Sonnengesang, den der König wohl selbst verfaßt hat.
Der Sonnengesang wurde im 19. Jahrhundert im Grab eines der Nachfolger Echnatons
entdeckt. Der Hymnus verdeutlicht den eigentlichen Kern der neuen Religion: der
Aton als Schöpfer der Natur.
Nach Echnaton ist Gott eine kosmische Macht, die sich als Sonne und Licht den
Menschen mitteilt. Dieser Monotheismus ist letzlich eine religiös interpretierte
Naturphilosophie. Er steht damit im Gegensatz zum biblischen Glauben, der sich
als historisch-politisch versteht und mit Vorschriften das soziale Leben regelt.
Echnatons Offenbarung besteht nicht in moralischen Gesetzen, stellt Jan Assmann
fest, "... sondern in der Erkenntnis, daß sich alles, die gesamte sichtbare
und unsichtbare Wirklichkeit, auf das Wirken von Licht und Zeit, und damit der
Sonne, zurückführen läßt. Echnaton glaubte, das eine Prinzip entdeckt zu haben,
aus dem die Welt hervorging und täglich neu hervorgeht."
Demzufolge besteht der Sonnengesang hauptsächlich aus poetischen Naturschilderungen.
"Alles Vieh ist befriedigt durch seine Weide,
die Bäume und Kräuter ergrünen.
Die Vögel entflattern ihren Nestern,
ihre Flügel erhebend zum Preise deiner Kraft!
Alles Jungwild springt auf seinen Füßen,
alles, was da fliegt und sich niederläßt,
es lebt, denn du bist über ihm aufgegangen ...
Der du der Frauen Leib fruchtbar machst
und aus Samen Menschen bereitest,
der du den Sohn ernährst im Leibe seiner Mutter
und ihn bruhigst, auf daß er nicht weine,
du Amme im Mutterleibe! ...
Wie unermeßlich sind deine Werke!
Sie sind den menschlichen Blicken verborgen,
du einziger Gott, der nicht seinesgleichen hat! ..."
Echnatons Glaube sei eine Gegenreligion, schreibt Assmann, keine Erlösungsreligion,
denn "... Erlösungsreligionen wollen den Menschen nicht in der Welt beheimaten,
sondern im Gegenteil ihn der Welt entfremden. Sie appellieren an ein außerweltliches
Selbst als einem transzendenten Wesenskern. Das Gegenteil erstrebt die Amarna-Religion.
Der Mensch wird der Welt eingliedert, indem er mit Tieren und Pflanzen an seine
licht- und zeitabhängige Geschöpflichkeit erinnert wird."
Hätte dieser monotheistische Glaube, so fragt der Wissenschaftler sinngemäß, eine
der großen Weltreligionen werden können, wie der jüdische oder später der christliche
Monotheismus? Dann etwa, wenn er sich in Ägypten durchgesetzt hätte? Assmann hält
das für nicht wahrscheinlich. Er bezeichnet den Aton-Glauben als eine kosmotheistische
Religion. Danach sind Gott und Kosmos, Gott und Natur eine Einheit. Der Gott der
Bibel dagegen wird zwar als der Schöpfer der Welt, aber durchaus getrennt von
ihr gesehen. Obwohl die Religion des Echnaton monotheistisch ist, "...bleibt
sie kosmotheistisch und wäre daher wie alle anderen Kosmotheismen der antiken
Religionsgeschichte von den Erlösungsreligionen überrannt worden."
Das Ende der Ära
Echnaton starb 1334 v. Chr. Sein Glaube hatte keinen Bestand. Die brutale
Verneinung der traditionellen religiösen Werte war mehr als die Ägypter auf Dauer
ertragen konnten. Die siebzehn Regierungsjahre Echnatons wurden nach seinem Tod
als eine Zeit der Finsternis und des Verbrechens empfunden.
Seine Nachfolger kehrten zum alten Glauben zurück. Ägypten versuchte, alles zu
vergessen, was mit Echnaton zu tun hatte, ja, man verdrängte, daß er überhaupt
existiert hatte.
In späteren Zeiten finden sich lediglich Spuren der Erinnerung an die traumatische
Erfahrung in einer düsteren Legende, in der von einer Herrschaft von Aussätzigen
die Rede ist und vom Verbot, die Götter zu verehren.
Der übernächste Nachfolger Echnatons, der junge König Tut-anch-Amun ordnete die
Rückkehr zum alten Glauben an. Er gab die Stadt Achet-Aton auf und ließ sie restlos
zerstören. Eine Stele aus seiner Regierungszeit beschreibt die selbstverschuldete
Gottesferne der Ära Echnatons:
"Die Tempel der Götter und Göttinnen ... waren im Begriff, vergessen zu werden,
und ihre heiligen Stätten im Zustande des Untergangs zu Schutthügeln geworden,
die mit Unkraut bewachsen sind. Ihre Gotteshäuser waren wie etwas, das es nicht
gibt. Das Land machte eine Krankheit durch, die Götter, sie kümmerten sich nicht
um dieses Land.... Wenn man einen Gott anrief, um ihn um etwas zu bitten, dann
kam er nicht. Wenn man eine Göttin anrief, ebenso, dann kam sie nicht."