In der altägyptischen Wirtschaft gab es weder Geld noch privates Unternehmertum.
Stattdessen beherrschte Tauschhandel die private Wirtschaft und die Menschen
profitierten von zentraler Versorgung mit den Gütern des täglichen
Bedarfs. Vorausetzung dafür war eine reibungslos funktionierende Bürokratie.
Sie nahm im Auftrag des Pharao die Abgaben und Tribute ein und verteilte
sie wieder. Vom König erhielten große Tempel die Erlaubnis, für
den Austausch zu produzieren. Nur von ihm wurden verdiente Beamte mit Grund
und Boden belohnt, was die allmähliche Entwicklung hin zum Privateigentum
förderte. In Ägypten gab es also eine gelenkte Wiederverteilungswirtschaft,
marktwirtschaftliche Elemente fehlten weitgehend.
Dahinter stand die Vorstellung, daß das Land mit allem was darin ist,
dem Gottkönig gehörte, der darüber verfügte wie es ihm
beliebte und für seine Untertanen sorgte. Schließlich war der
König durch sein Bündnis mit den Göttern der alleinige Garant
für das Fortbestehen der Welt. Ob beim Pyramidenbau oder bei der Errichtung
von Tempeln, bei bäuerlicher Arbeit oder beim Außenhandel, das
Interesse des Königs und des Staates mußten immer Vorrang vor
Einzelinteressen haben.
Wirtschaftliches Leben im alten Ägypten begann mit dem Nil. Er war es, der durch seine periodisch wiederkehrenden Überschwemmungen den Schlamm über die Felder brachte und das Land fruchtbar machte. So wurde der Fluß die Existenzgrundlage der Ägypter. Die Fruchtbarkeit des Nillandes rühmte man in der gesamten Antike.
Szenen aus der Landwirtschaft, Grab des Nacht, TT52, NR, Thutmosis
IV.
Der griechische Geschichtsschreiber Herodot, der wohl berühmteste antike
Ägyptentourist, erzählt, daß man hier den Boden ganz mühelos
bestellen könne.
"Ja, jetzt freilich bringen diese Leute die Frucht vom Feld ein mit
weit geringerer Mühe als alle anderen Menschen ... , sie, die sich nicht
zu mühen brauchen, mit dem Pflug Furchen aufzubrechen, nicht zu hacken
brauchen, noch sonst eine der Arbeiten zu verrichten, mit denen andere Menschen
sich abplagen bei ihrem Saatfeld, sondern wenn bei ihnen der Fluß von
alleine kommt und die Fluren tränkt und nach dem Tränken wieder zurückweicht,
dann besät ein jeder sein Feld und treibt bloß Schweine darauf, ist
aber die Saat von diesen Schweinen eingetreten, braucht er nur die Ernte abzuwarten
und drischt mit diesen Schweinen sein Korn aus und bringt's so ein."
Als Transportweg für den Austausch von Waren und Vieh war der Nil nicht zu übertreffen. Und dort, wo der Fluß als Wasserstraße nicht ausreichte, etwa am Katarakt im Süden oder im breiten Deltagebiet des Nordens, baute man Kanäle. Uni, ein Beamter aus der Zeit um 2300 v. Chr. meldete: "Es sandte mich seine Majestät aus, um fünf Kanäle in Oberägypten zu graben und drei Breit- und vier Satsch-Boote zu bauen aus Akazienholz in Nubien."
Die eigentliche Arbeit auf den Feldern empfanden die Ägypter selbst allerdings
bei weitem nicht als so leicht wie das Herodot später vermutete. Im Gegenteil.
Zur mühenvollen Plackerei auf den Äckern kam einmal im Jahr auch noch
die aufreibende Schwerarbeit auf den Baustellen Pharaos. In einer Lehre, die
lange Zeit als Schulbuch sehr beliebt war, lesen wir:
"Der
Bauer klagt mehr als ein Perlhuhn, seine Stimme ist lauter als die eines Raben,
denn seine Finger sind Geschwüre geworden mit einem Übermaß
an Gestank. Wenn man ihn für das Delta zur Fronde registriert und wegtreibt,
ist er in Fetzen. Er leidet, nachdem er auf die Insel gegangen ist, denn Krankheit
ist sein Lohn, weil die Fronde dort eine ist, die sie verdreifacht haben. Kommt
er von dort heraus, so gelangt er erschöpft zu seinem Haus, denn die Steuer
hat ihn gebrochen."
Die Bibel überliefert das Bild der Fronarbeit, zu der ägyptische Bauern und israelitische Fremdarbeiter mit unerbittlicher Härte gezwungen wurden. Diese Vorstellung ist nur bedingt richtig. Die sogenannte Fronarbeit, Arbeit also, zu der man von staatlicher Seite aus verpflichtet wurde, war ohne Zweifel hart. Aber sie brachte für den einfachen Ägypter durchaus Vorteile. Am augenfälligsten war der wirtschaftliche Nutzen. Während der Jahreszeit des Schemu, der Überschwemmung, verließ der Bauer seine Äcker. Die standen unter Wasser und konnten im Moment ohnehin nicht bearbeitet werden. Mit der Arbeit an den Bauwerken des Königs konnte während dieser Periode sein Einkommen gesichert und womöglich noch ein Überschuß erwirtschaftet werden. Daneben aber gab es noch einen zweiten, nicht minder wichtigen Aspekt. In der Epoche des Pyramidenbaus erwarb er sich mit der Arbeit am Grabmal des Königs das Recht, im Jenseits weiterzuexistieren. Dieses Privileg hatte ursprünglich nur der König besessen. In späteren Zeiten durfte jeder auf ein Weiterleben nach dem Tod hoffen. Der Dienst für den König verlor auch dann weder seine religöse noch seine wirtschaftliche Bedeutung.
Drangsal im Diesseits, Belohnung im Jenseits, klingt das nicht nach Betrug
und Ausbeutung?
Nicht im geschlossenen religiösen Weltbild des Alten Ägypten. In seinem
Zentrum stand der Gottkönig, der Pharao. Er war es, der die Verbindung
zwischen den Göttern und den Menschen herstellte und durch den Kult die
Schöpfung in Gang hielt.
Wie alles im alten Ägypten war auch die Wirtschaft prinzipiell auf das
Ziel gerichtet, dem Pharao zu dienen und auf diese Weise die Verbindung zwischen
der Sphäre der Götter und der Welt der Menschen zu ermöglichen.
Während des Alten Reichs führte diese Vorstellung zu einer kulturellen
Großtat ersten Ranges: zum Pyramidenbau. Ein gewaltiges Unterfangen, in
dem die Kräfte des ganzen Volkes gebündelt wurden! Politisch gesehen
bedeutete dies die Entstehung eines zentralistischen Staats. Beim König
liefen alle Fäden zusammen. Er ist der Besitzer von Land, Mensch und Vieh
und er allein ordnet an, wie und wann etwas verwendet wird. Für den Hildesheimer
Ägyptologen Arne Eggebrecht fängt hier die staatliche Organisation
von Arbeit an:
"In der historischen Gesamtentwicklung wurde hier eine Stufe erreicht,
auf der zum ersten Mal in großem Umfang Arbeitskooperation und damit aufs
engste verknüpft Arbeitsteilung praktiziert wurde. Denn in der Tat waren
es nicht nur vier, sechs oder zehn Menschen, die hier zusammenarbeiteten, sondern
Tausende, Zehntausende und sogar Hunderttausende. Das führte sowohl zu
einer immer deutlicher werdenden Herausbildung verschiedener Klassen und Schichten
als auch zu einer weitgestreuten Differenzierung einzelner Arbeitsbereiche und
Gewerbegattungen, mithin also zu einer sehr komplexen Gesellschaft insgesamt."
Während des Alten Reichs wurden durch enorme gemeinschaftliche Anstrengung Pyramiden, Tempel und Paläste gebaut. Nach dem Zusammenbruch dieses ersten ägyptischen Staates und einer Phase des politischen und gesellschaftlichen Chaos, bildete sich um 2000 v. Chr. erneut ein straff zentralistisch organisiertes Gemeinwesen. Im Mittleren Reich trat die Errichtung von Monumentalbauten in den Hintergrund. Jetzt standen Großunternehmen der Ingenieurkunst im Mittelpunkt. So wurde zum Beispiel die Oase Fayum trockengelegt, was den Einsatz aller mindestens ebenso gefordert hat wie der Pyramidenbau. Das Mittlere Reich brach mit der Eroberung Ägyptens durch die "Herrscher der Fremdländer", die Hyksos, zusammen. Erst die mächtigen Könige der glanzvollen 18. Dynastie begründeten das Neue Reich. Und noch immer fuhr der Staat fort, Ägypter zum Arbeitsdienst heranzuziehen. Es mußten öffentliche Bauten errichtet und immer wieder die einzelnen Götter mit prachtvollen Tempeln versorgt werden. Im Lauf der Jahrhunderte gelang es allerdings immer mehr Ägyptern, durch besondere Verdienste eine Freistellung von den öffentlichen Arbeiten zu erlangen.
Damit die Arbeitsverpflichtung auch funktionierte, waren einige Voraussetzungen notwendig. Die Bevölkerung mußte gezählt und registriert werden. Die Arbeitskräfte brauchten Essen und Kleidung, deshalb war ein genauer Überblick über die vorhandenen Ressourcen nötig. Wieviel Vieh gab es, war der Getreidevorrat groß genug? Wie konnten die Arbeiter versorgt werden? Es entstand ein großer Verwaltungsapparat, Beamte Pharaos organisierten auf allen Ebenen die Verteilung der zum Leben notwendigen Dinge. So formte sich schon in ältester Zeit ein Wirtschaftssystem, das auf Überschußproduktion angewiesen ist. Die Landwirtschaft mußte nicht nur die Agrarproduzenten selbst ernähren, sondern auch die Arbeiter an den Pyramiden, die Beamten, die Priester und die Handwerker, die die Dinge des täglichen Bedarfs herstellten. Ein Wirtschaftssystem, dessen Hauptfaktoren planwirtschaftlich gelenkte Produktion und zentrale Verteilung der Güter sind, wird in der Sprache der Wirtschaftswissenschaft als Wiederverteilungs- oder Redistributionswirtschaft bezeichnet. Manfred Gutgesell, der Spezialist für altägyptische Wirtschaft, schreibt: "Die Marktwirtschaft scheidet als Erklärung für das Funktionieren der altägyptischen Wirtschaft aus. Es herrschte vielmehr ein stark reglementiertes System, das dem wirtschaftenden Menschen relativ wenig Handlungsspielraum zubilligte und als Wiederverteilungswirtschaft bezeichnet werden kann."
Beamte des Königs und die Tempel verfügten über Grundbesitz
und auch über die Bauern, die das Land bewirtschafteten. Allerdings behielten
sich die Könige das letztendliche Verfügungsrecht vor: sie konnten
jederzeit enteignen oder Land zuweisen. Das Privateigentum war somit eingeschränkt,
aber nichtsdestoweniger konnte sich ein dynamischer Privatsektor entwickeln.
Auf diese Weise blieb das System insgesamt anpassungsfähig.
Wie sahen wirtschaftliche Transaktionen im alltäglichen Leben aus? Wenden
wir uns Heqanacht zu, einem Bauern, der um 2000 v. Chr. einiges Geschäftliche
zu regeln hatte.
Heqanacht schrieb einen Brief an seine Familie. Er befand sich auf Reisen und
wollte sichergehen, daß sein Besitz auch während seiner Abwesenheit
gedieh. Neues Land in der Nähe des Dorfes Perhaa sollten seine Leute pachten,
und zwar fünf Aruren, das sind knapp 14 Quadratkilometer. Der Pachtzins,
so ordnete Heqanacht an, sollte in Emmerweizen, oder aber in Stoff bezahlt werden.
Geld kannte das pharaonische Ägypten nämlich nicht.
Fast während seiner ganzen Geschichte ist der altägyptische Staat ohne Geld ausgekommen. Alle Geschäfte und Zahlungen wurden in Waren getätigt. Der niederländische Forscher Jacques Jansson stellt fest: "Der gesamte Handelsverkehr in Ägypten fand in Form von Tauschhandel statt. Der Wert der Tauschwaren wurde in Einheiten Kupfer, Silber oder Getreide ausgedrückt, obwohl für gewöhnlich nichts davon tatsächlich Teil des Geschäfts war."
Warum ist ein kulturell so hochentwickeltes Volk wie die Ägypter nicht über eine prähistorisch anmutende Tauschwirtschaft hinausgekommen? Gibt uns vielleicht der berühmte englische Ägyptologe Sir Alan Gardiner einen Hinweis, wenn er sagt: "Die Ägypter waren größere Realisten als wir, oder, wenn wir diese Aussage in ein Kompliment für uns umwandeln, sie hatten eine geringere Fähigkeit zu abstraktem Denken."
Tatsächlich besitzt Geld einen höheren Abstraktionsgrad als irgendein anderes Tauschmittel. Es ist ein universeller Wertmaßstab. Im pharaonischen Ägypten hat man zwar durchaus neutrale Wertmesser verwendet. Nur Geld in unserem heutigen Sinn war es eben nicht. Einer Geldwirtschaft ist man allenfalls nahegekommen, erreicht hat man sie aber nicht.
Schauen wir Heqanacht ein wenig über die Schulter, wenn er seinen Brief an die Familie noch einmal überfliegt: "Schicke Hetis Sohn Nacht nach Perhaa, um für uns fünf Aruren Pachtland zu bebauen; sie sollen seine Miete von dem Stoff nehmen, der gewoben worden ist, wo du bist. Wenn sie dann den Preis eingezogen haben, als Bezahlung für den Emmerweizen, der in Perhaa ist, so sollen sie ihn dort gebrauchen, du wirst nichts mehr mit dem Stoff zu tun haben, von dem ich sagte: 'Webe ihn und sie sollen ihn nehmen, wenn er in Nebsit bewertet worden ist, und pachte Land für seinen Gegenwert.'"
War der Verkäufer nicht zufrieden mit Weizen oder Stoff? Jedenfalls hat es Probleme mit der Bezahlung gegeben, denn Heqanacht sandte noch ein weiteres Schreiben wegen der fünf Aruren Land. Und er legte Kupfer bei, gemessen in der Gewichtseinheit Deben. "Siehe, ich habe dir 24 Kupfer-Deben gesandt für die Pacht des Landes. Laß jetzt 5 Aruren Land für uns in Perhaa neben dem Land von Hau, dem Jüngeren bebauen, bezahle mit Kupfer oder mit Stoff oder mit Gerste oder sonst etwas, aber nur wenn du den Gegenwert dort für das Öl oder sonst etwas eingezogen hast."
Ein komplizierter Handel! Er ist für uns heute vor allem deshalb so schwer nachvollziehbar, weil hier zwar einerseits ganz konkrete Dinge als Bezahlung empfohlen werden, aber andererseits auch neutrale Wertmesser wie Öl oder Kupfer genannt werden. Im Fall des für Heqanacht neu gepachteten Landes mußten die zur Bezahlung vorgesehenen Sachen also zuerst in neutrale Waren zwischengetauscht werden. Mit dieser Methode konnten verschiedenartige Waren angenommen, zwischengetauscht und schließlich in das verwandelt werden, was der Verkäufer haben wollte. "Was nun den betrifft, der mir die Entsprechung in Öl geben wird, so soll er mir einen Krug für zwei Scheffel Gerste oder drei Scheffel Emmerweizen geben.."
Was Heqanacht lieber mochte, stellte er unmißverständlich
klar. "Aber siehe, ich ziehe vor, daß man mir meine Sache in Gerste
gibt."
(Die Szene ist der Beschreibung in T.G.H.James, Pharaos Volk
nachempfunden)
Gelegentlich finden wir auch eine abstrakte Werteinheit, der Schat oder später
Seniu genannt wird. In dieser Größe berechnete man den Gegenwert,
der dann in einer ganz konkreten Ware ausbezahlt wurde.
Einen großen Teil unserer Informationen über den altägyptischen
Warentausch beziehen wir aus dem Dorf der Grabhersteller in Deir-el-Medineh.
Die Handwerker und Künstler aus dieser Siedlung haben über Jahrhunderte
die prachtvollen Königsgräber im Tal der Könige hergestellt.
Aus Deir-el-Medineh sind zahllose Verkaufsquittungen erhalten geblieben. Der
Warenwert wird in diesen Quittungen entweder in Silberseniu oder in Sack Getreide
ausgedrückt, schreibt Manfred Gutgesell. Und weiter stellt er fest: "Für
die Ware 'Arbeit' akzeptierten die Arbeiter anstandslos Getreide, manchmal auch
Edelmetalle als Lohn, denn sie konnten damit ohne Probleme Waren ihrer Wahl
erwerben. Einige Rechnungen zeigen, daß Objekte direkt mit Getreide oder
Metall bezahlt werden konnten. Diese waren also nicht nur abstrakte Recheneinheiten,
sondern echte Tauschmittel, die allgemein angenommen wurden.
Auch die Geldfunktion als Wertaufbewahrungsmittel ist leicht nachweisbar, denn
die Arbeiter konnten vom Zeitpunkt des Erhalts von Geld, z.B. als Lohn, bis
zum Ankauf von Produkten, eine beliebige Zeit verstreichen lassen, also Geld
sparen und anhäufen. Das war notwendig bei Waren, deren Preise einen Monatlohn
überstiegen, etwa bei Särgen, Rindern oder kostbaren Kleidern. Es
ist aber auch belegt, daß solche Waren auf Kredit gekauft wurden. Die
Bezahlung konnte also in die Zukunft verschoben werden."
Große Geschäfte gestalteten sich bisweilen äußerst kompliziert, wie der Bericht vom Kauf einer Sklavin zur Zeit Ramses II. zeigt. Verschiedenste Dinge hat Frau Iritnefer zusammengetragen, um die Dienerin zu kaufen. Das meiste davon hat sie selbst erst kaufen müssen. Jeden Gegenstand kennzeichnete sie mit seinem Wert in Silber und zwar nach den Gewichtmessern Kite und Deben. Ein Kite ist 9,1 g und ein Deben zehnmal soviel, also 91 g.
"Sieben Jahre, nachdem ich in das Haus des Distriktverwalters Samut
eingetreten war, kam der Kaufmann Raia mit einer syrischen Sklavin zu mir, die
ein Mädchen war und sagte zu mir: 'Kaufe dieses Mädchen und gib mir
ihren Preis', so sagte er zu mir. Ich nahm das Mädchen und gab ihm seinen
Preis. Nun siehe, ich gebe vor den Richtern eine Aufstellung des Preises, den
ich für es bezahlt habe.:
1 Laken aus feinem Stoff: Wert 3 ½ kite Silber
1 Umschlagtuch aus feinem Stoff: Wert 4 kite Silber
3 Schurze aus feinem Stoff: Wert 5 kite Silber
1 Kleid aus feinem Stoff: Wert 5 kite Silber
Gekauft von der Bürgerin Kafi: ein Gefäß aus Bronze, Wert 14
Deben Kupfer, Wert 1 2/3 Kite Silber
Gekauft vom Priester Huipanehesi: 10 Deben Kupferreste, Wert 1 ½ Kite
Silber ..." (zitiert nach T.G.H.James, Pharaos Volk)
Die Aufzählung fährt noch eine Weile so fort. Offenbar hat Iritnefer dieses Geschäft seit langem vorbereitet. Zum Schluß erfahren wir den Gesamtwert der Sklavin:
"Total von allem: 4 Deben und ein Kite Silber. Und ich gab es dem Kaufmann
Raia .... und er gab mir das Mädchen."
Für Wertverhältnisse herrschte in der ägyptischen Gesellschaft
ein sicheres Gefühl. Immerhin blieben die Preise für gewöhlich
über sehr lange Zeiträume konstant, denn sie waren staatlich festgesetzt.
Wie allerdings der "Wechselkurs" der Waren festgesetzt wurde, wissen
wir nicht.
Auch von der Tätigkeit der Kaufleute ist nicht allzuviel überliefert.
Wahrscheinlich haben auf kleinen Märkten Bauern und Handwerker einen Teil
ihrer Produkte selbst verkauft.
Aber es hat in Ägypten auch Kaufleute gegeben, die ihre Tätigkeit sozusagen hauptberuflich ausgeübt haben. Allerdings nicht auf selbständiger Basis, betont der Hamburger Professor Wolfgang Helck. "Von ägyptischen Kaufleuten lassen sich nur solche nachweisen, die entweder einer Institution oder einem Tempel oder auch einer Privatperson zugehören und für diese den Handel treiben. Händler, die auf eigene Rechnung arbeiten sind nicht mit Sicherheit festzustellen."
Ein selbständiger Händler war in Ägypten schon ideologisch schwer möglich, denn es war der Pharao, der alles besaß und folglich übte ein Kaufmann seine Tätigkeit für ihn aus.
"Die Kaufleute segeln flußab und flußauf, fleißig wie die Bienen, indem sie Waren von einer Stadt zur anderen bringen und den versorgen, der nichts hat."
Ein Pharao wies sogar den Götterbildern des Ptah in Memphis unter anderem auch Kaufleute zu, die für sie Dienst tun sollten. "Ich stattete sie aus mit Dienstmannschaften in großer Zahl mit Äckern und Herden in Ober- und Unterägypten, ihre Schatzhäuser fließen über von vielen Reichtümern, Schiffsmannschaften, Imkern, Weihrauchbringern, Goldbringern, Kaufleuten ohne Zahl."
Aus ganz Ägypten trugen Kaufleute Waren zusammen und trieben auch Handel mit dem Ausland.
"Dein Schiff ist aus Syrien zurückgekehrt, beladen mit allen Arten von guten Dingen." ... heißt es in einem Papyrus und in einem anderen wird dem Käufer empfohlen: "und du sollst Ausschau halten nach dem Kaufmann und gucken, ob er schon aus Syrien zurückgekommen ist."
Die Handelswege standen nicht zu Unrecht im Ruf, gefährlich und unsicher zu sein. Neben räuberischen Beduinen ließen sogar hohe Beamte gelegentlich Transporte überfallen. In einem Protestbrief beklagt sich der König von Babylon bei Pharao Echnaton: "Mein Bruder und sein ganzes Land seien in Wohlergehen. Was nun meinen Boten anbetrifft, den ich dir geschickt habe: zweimal ist seine Karawane ausgeplündert worden. Einmal durch den König von Damaskus, ein andermal durch einen der Stadthalter eines dir gehörenden Landes. Schlichte diese Rechtssache, mein Bruder, und ersetze mir den Schaden!"
Obwohl jeder vom Händler profitierte, war er nicht sonderlich angesehen in der Gesellschaft. Der britische Ägyptologe Barry Kemp schreibt: "Der soziale Status des Handeltreibenden war niedrig. Niemand, der in seinem Leben erfolgreich war, benutzte das Wort als Titel. Reiche Leute zogen Nutzen aus dem Handel, betrachteten ihn aber nicht als Beruf. Die Vorstellung, daß solche Aktivitäten Reichtum und gesellschaftliches Ansehen begründen könnte, war buchstäblich undenkbar für alle, die davon betroffen waren."
Bauarbeiter aus dem Grab des Wesirs Rech-mi-Ra, TT100, NR,
18. Dyn. Thutmosis III./AmenhotepII.
Im Mittleren und Neuen Reich gewannen Tempel immer größere wirtschaftliche
Bedeutung. In den Tempelwerkstätten produzierten handwerkliche Spezialisten
für den Austausch. Auch an großen Verwaltungszentren arbeiteten Handwerker.
So finden wir viele Frauen in den dortigen Webereien und Bäckereien. In
der gesellschaftlichen Achtung rangierten Handwerker allerdings weit unten.
In der berühmten Lehre des Cheti aus dem Mittleren Reich wird zum Beispiel
vor dem Maurerberuf gewarnt: "Ich nenne dir auch den Maurer. Seine Niere
ist krank, da er draußen im Wind sein muß. Er mauert ohne Hemd,
und sein Gürtel ist nur eine Schnur für den Rücken und ein Strick
für sein Hinterteil. Seine Arme sind zuschanden geworden durch Müdigkeit
und Steifheit, allerlei Kot knetend. Er ißt das Brot mit seinen Fingern,
obwohl er sie nur einmal am Tag waschen kann."
Szene beim Barbier Grab des Userhat, TT56 NR, Amenhotep II. |
Eine Ausnahme bildeten die Handwerker aus der Siedlung der Grabhersteller in Deir-el-Medineh. Sie bauten die Gräber im Tal der Könige und durch die heilige Bedeutung ihrer Tätigkeit erfuhren sie Achtung und Wertschätzung bis hinauf zum Pharao selbst. Auch sie erhalten ihr Arbeitsmaterial vom Staat, dem Besitzer aller Produktionsmittel. Bis zum letzten Meißel oder Lampendocht bekommen die Handwerker alles zugewiesen, war sie für ihre Arbeit benötigen. In einem Brief an den Wesir beklagte ein Dorfschreiber das Ausbleiben von Arbeitsmaterial: "Ferner gute Wünsche an meinen Herrn des Inhalts, daß wir nicht genügend ausgerüstet worden sind mit Meißeln und Gips. Möge er den beiden Stellvertretern der Arbeiten schreiben, um sie zu veranlassen, daß sie uns mit Gips versorgen, und möge er an die beiden Nekropolenschreiber schreiben, daß sie uns mit Meißeln versorgen ..."
Seit dem Mittleren Reich war der Status der Handwerker stetig gestiegen. Immerhin
wachte der Schöpfergott Ptah als ihr Schutzpatron über sie. Im Neuen
Reich vermehrte sich ihr Ansehen weiter. Das konnte man vom ägyptischen
Bauern leider nicht behaupten.
Die Bauern standen weit unten auf der sozialen Stufenleiter. Zumeist Hörige
des Königs, der Tempel oder großer Landbesitzer waren die wenigsten
von ihnen Eigentümer der Scholle, die sie bearbeiteten. Von alters her
war die Landwirtschaft geprägt durch die Vorstellung, daß der König
allein Besitzer des Boden ist. Er allein verfügte über ihn und wies
ihn zum Beispiel großen Tempeln oder Privatleuten zu. Arne Eggebrecht
schreibt: "Wie war nun der Getreideanbau im Neuen Reich organisiert?
Aus einem Teil seines Grundbesitzes belehnte der König die Beamten nach
Rang, ferner Offiziere, Soldaten, aber auch andere Berufsgruppen wie Fischer
oder Hirten. Soldaten erhielten im allgemeinen 3 Aruren Land, die einen Kornertrag
von 15 Sack erbrachten, wobei 1 ½ Sack an Steuern zu entrichten waren.
...
Daneben hat es aber auch tatsächlichen Privatbesitz an Ländereien
gegeben, wie aus dem Schenkungsdekret für einen hohen Polizeibeamten hervorgeht:
'Es befiehlt seine Majestät, ihn zum Polizeioberst in Theben-West einzusetzen...,
damit er die Ehrwürdigkeit erreiche, und ihm seinen Haushalt, seine Herden,
seine Felder, seine Hörigen und alle seine Dinge zu Wasser und zu Lande
zu überweisen, ohne daß dagegen von einem Inspektor des Königs
Einspruch erhoben werden könne.'"
Die
ägyptische Landwirtschaft verfügte über die Grundvoraussetzungen
für ökonomische Stabilität. Warmes Klima und ausreichend Wasser
stellten nicht nur die Versorgung mit Getreide sicher, sondern sorgten auch
für eine Überschußproduktion, die fast jedes Jahr zu erwarten
war. Der Staat konnte diesen Überschuß reinvestieren und so verteilen,
daß möglichst viele Ägypter am Wohlstand teilhaben konnten.
Nehmen wir zum Beispiel einen gewöhlichen Bauern, den wir Hori nennen.
Hori und seine Söhne bebauen die Äcker und wenn der Steuereintreiber
kommt, bezahlen sie die verlangten Säcke Getreide. Da da Land fruchtbar
ist, hat die Familie auch danach ausreichend zu leben. Während der Überschwemmung
schleppt Hori Steine beim Bau eines Tempels und wird dafür mit zusätzlichen
Säcken Getreide entlohnt. Jetzt hat die Familie einen Überschuß
an Getreide, der zum Ankauf anderer notwendiger Dinge verwendet werden kann:
Saatgut, eine Ziege für die Milch, oder einen Esel. Auch Horis Frau und
die Töchter tragen zum Familieneinkommen bei. Nach der Hausarbeit weben
sie Tuch oder bemalen Tongefäße, Dinge, die verkauft werden können.
Auf diese Weise wird sogar der ein oder andere Luxusgegenstand für die
Familie möglich, eine hölzerne Truhe etwa oder ein Kupferspiegel.
Horis Familie investiert den erwirtschafteten Überschuß dafür,
ihren Lebenstandard zu halten und zu erhöhen. Genauso verfuhr der Staat
mit seinem Gewinn: neue Unternehmungen beschäftigten zahllose Beamte und
Bauern und gerade mit dem Überschuß an Getreide konnten verschiedene
Rohstoffe aus dem Ausland importiert werden.
Getreideworfeln, Grab des Nacht, TT52, NR, Thutmosis IV.
Der staatliche Verwaltungsaufwand für das Eintreiben, Investieren und Wiederverteilen von Abgaben war enorm. Allerdings bot diese feingegliederte, hierarchische Bürokratie auch eine Menge Beschäftigungsmöglichkeiten. Hier, in der Verwaltung tummelten sich vor allem die Intellektuellen der Gesellschaft, d.h. diejenigen, die lesen und schreiben konnten. Und hier konnte ein Beamter am ehesten zu Wohlstand gelangen. Dieses Bestreben unterstützte der König gern, denn wenn er ausreichend gab, blieben seine höchsten Diener loyal.
In der Lehre für König Merikare rät ein Pharao seinem Nachfolger: "Mache deine Beamten reich, damit sie deine Gesetze ausführen. Denn einer, der in seinem Haushalt reich ist, braucht nicht parteiisch zu sein, denn ein Besitzender ist einer, der keine Not leidet. Ein Armer aber spricht nicht nach der für ihn geltenden Ordnung, und einer, der "Ach hätte ich doch" sagt, ist nicht rechtschaffen. Er ist parteiisch gegenüber demjenigen, den er vorzieht und er neigt sich dem Herrn seiner Bestechung zu."
Viele Beamte dienten dem Pharao mit äußerster Hingabe oder rühmten
sich zumindest dessen.
"Ich bin ein tüchtiger Beamter meines Herrn beim Erfüllen
der Getreideablieferungen und beim Erfüllen der Steuern. Mein Überschuß
an Getreideablieferungen und Steuern war zehnmal größer als mein
Soll an Getreideablieferungen und Steuern. 3622 Amphoren Wein zu je 10 Litern
waren meine Abgabe durch die Leute. Ich aber ließ sie 25.368 Amphoren
bringen. 70 Amphoren Honig waren mein Soll. Der Honig, den ich brachte, waren
700, also 630 Amphoren mehr. 70.000 Sack waren mein Getreideablieferungssoll
im Jahr; ich brachte 140.000 , also einen Überschuß von 70.000 Sack."
Ein anderer Verwalter beteuerte: "Ich verrichtete jede Arbeit. Ich zählte
alles, was zu zählen ist für den Palast in Oberägypten zu zwei
Malen. Ich zählte alle Dienstleistungen, die für den Palast gezählt
werden, in Oberägypten zu zwei Malen."
Die Strenge, mit der die Beamten bei der Steuereintreibung vorgingen, war berüchtigt. Neben dem naturbedingten Ungemach verdüsterte der Stock des Büttels das Leben des Bauern.
"Erinnerst du dich nicht an die Feldarbeiter angesichts der Steuerregistrierung?
Die Schlange stahl die Hälfte des Korns, und das Nilpferd fraß den
Rest. Auch Mäuse sind zahlreich auf dem Feld, die Heuschrecke fällt
ein und auch die Rinder fressen...! Der Rest, der noch auf der Tenne ist, ist
zu Ende und er ist für die Diebe. Sein Geldwert ist verloren, und die Joche
der Ochsen sind zerstört vom Dreschen und Pflügen.
Dann landen die Schreiber und Steuereintreiber mit ihren Bütteln an und
sagen folgendermaßen: 'Gebt Getreide!' Es gibt aber keines mehr. Sie schlagen
den Bauern hart. Er wird gebunden und in den Brunnen geworfen. Sie schlagen
ihn, stoßen ihn unter Wasser, während seine Frau in seiner Gegenwart
gefesselt wird. Seine Kinder sind ebenfalls gefesselt, und seine Nachbarn haben
sie aufgegeben und sind geflohen. Ihr Getreide wird eingesammelt."
Daß säumige Lieferer geschlagen wurden, war normal und nichts besonderes. Es hat andererseits auch mitfühlende Beamte gegeben, wie etwa den Fürsten Cheti um 2100 v. Chr. "Während einer Hungersnot ließ ich alle Abgaben niederschlagen, die ich registriert fand von meinem Vater her."
Die Entwicklung hin zum Privateigentum während des Neuen Reiches führte sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich zu großen Spannungen. Die Versuchung war groß, Güter, die zur Verteilung vorgesehen waren, einfach zu verkaufen. Auch innerhalb der Beamtenhierarchie ist es zu ganz erheblichen Entgleisungen gekommen. Um 1100 v. Chr., gegen Ende der Ramessidenzeit, gab der Schreiber und Tempelgärtner Kar zu, mit Komplizen Gold von den vergoldeten Türpfosten des Tempels gestohlen zu haben. Die dafür eingetauschte Gerste hatten sie unter sich aufgeteilt. Nun hatten aber die Vorgesetzten Wind von der Anglegenheit bekommen.
"Einige Tage später kam der Tempelschreiber Sedi erneut, indem er drei Männer mitbrachte. Sie gingen wiederum zu den Türpfosten und entfernten 4 kite Gold. Wir teilten es zwischen uns und ihm auf. Einige Tage später zankte Paminu, unser Chef, mit uns, indem er sagte: "Ihr habt mir nichts gegeben." Also gingen wir noch einmal zu den Türpfosten und entfernten 5 kite Gold von ihnen. Wir tauschten es gegen einen Ochsen und gaben ihn Paminu. Nun hörte aber der Schreiber der Königlichen Archive Sethmose ein Gerücht davon und drohte uns, indem er sagte: "Ich werde es dem Hohenpriester des Gottes Amun berichten." Also nahmen wir 3 kite Gold und gaben es dem Schreiber der königlichen Archive Sethmose. Und wir gingen noch einmal dahin und gaben ihm 1 ½ kite Gold. Insgesamt bekam der Schreiber der königlichen Archive Sethmose: 4 ½ kite Gold."
Obwohl die Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Betätigung in der späteren Zeit größer wurden, hat es in Ägypten nie einen freien Markt in heutigem Sinn gegeben. Zu allen Zeiten wurde das Wirtschaftsleben stark reglementiert. Das Interesse des Staates, des Landbesitzers oder des Tempels stand immer über dem Wunsch nach persönlicher Entfaltung. Dafür konnte der Einzelne allenfalls Nischen im System finden.
Werte wie Eigeninitiative oder persönliche Freiheit spielten urspünglich
für den Ägypter eine untergeordnete Rolle. Es ist erstrebenswert,
so lesen wir, einen Herrn zu haben, der für einen sorgt. Der Freie, der
niemanden hatte, war eher zu bedauern. Im Lauf der ägyptischen Geschichte
ist es gelegentlich zu Ansätzen gekommen, die Idee der persönlichen
Emanzipation mit wirtschaftlicher Initiative zu verbinden. Dies war die Antwort
auf Bürokratie und Zwang, die immer wieder zu Phasen wirtschaftlicher Stagnation
geführt hatten. Im Neuen Reich, als der ägyptische Horizont große
Teile des östlichen Mittelmeerraums umfaßte, differenzierten sich
die wirtschaftlichen Strukturen. Neue, bislang nicht gekannte Perspektiven kamen
hinzu. Doch nie änderte sich die Wirtschaftsstruktur grundsätzlich.
Die Gebundenheit der ägyptischen Gesellschaft, die sich in ihrer Religion
ebenso ausdrückt wie in ihrer Kunst, hat sich in ihrer gesamten Geschichte
auch in ihrem Wirtschaftsleben widergespiegelt.